Beim Gedanken an Avocados entstehen oft Bilder von tropischen Hängen in Lateinamerika, nebligen Tälern in Peru oder den vulkanischen Böden Mexikos. Doch dieselbe Frucht wächst auch unter der mediterranen Sonne – näher an den europäischen Haushalten.
Auf den ersten Blick sehen diese Avocados vielleicht gleich aus. Doch ihre Reise, ihr Wasserverbrauch, ihre Nährstoffzusammensetzung und ihr soziales Umfeld erzählen ganz unterschiedliche Geschichten.
Wenn das Volumen wächst, ist die Entfernung wichtig
Über 90 % der in Europa verzehrten Avocados werden importiert – hauptsächlich aus Peru, Chile, Kolumbien, Israel, Kenia und Südafrika. Diese Lieferketten beinhalten lange Seefrachtwege, Straßenverkehr im Inland, Kühlketten und eine ausgefeilte Logistik.
Ein Transport von Málaga nach Berlin verursacht etwa 0,21 kg CO₂ pro kg Avocado, während Avocados aus Chile rund 0,42 kg CO₂ pro kg emittieren – also doppelt so viel.
Diese Emissionen erscheinen einzeln betrachtet gering. Aber hochgerechnet auf den aktuellen Konsum machen sie einen Unterschied. Europa könnte bis zu 1,5 Millionen Tonnen Avocados jährlich verbrauchen. Allein in Deutschland wurden 2024 rund 165.530 Tonnen konsumiert, gefolgt von Frankreich (157.977 t), dem Vereinigten Königreich (122.993 t) und Spanien (96.617 t). CrowdFarming liefert bereits einen Teil dieses Bedarfs aus Nachbarländern wie Spanien, Italien und Frankreich – mit über 800 Tonnen Avocados, die innerhalb des Kontinents transportiert wurden.
Auch wenn der Seetransport pro Kilogramm betrachtet effizient erscheint, trägt er bei großen Mengen an gekühltem Obst erheblich zu den Emissionen bei. Das Problem ist also nicht der Transport selbst, sondern die Größe und Regelmäßigkeit der Lieferketten über lange Distanzen für Produkte, die auch in der Nähe angebaut werden könnten.

Nährstoffdichte und Geschmack: geformt durch Zeit und Handhabung
Die Zeitspanne zwischen Ernte und Verzehr beeinflusst nicht nur die Frische, sondern auch den Nährstoffgehalt und den Geschmack. Importierte Avocados sind oft mehrere Wochen unterwegs und werden in Vertriebszentren künstlich nachgereift. Im Gegensatz dazu werden Avocados, die auf Bestellung geerntet werden – wie bei CrowdFarming – frisch gepflückt und erreichen europäische Haushalte im Durchschnitt innerhalb von 5,3 Tagen (Stand 2024).
Dieser Unterschied ist bedeutend. Laut einer Studie können spanische Avocados bis zu 51,1 % Ölsäure enthalten, im Vergleich zu 43,5 % bei importierten Avocados aus Chile. Ölsäure ist eine einfach ungesättigte Fettsäure, die mit Herz-Kreislauf-Gesundheit in Verbindung gebracht wird. Weitere Forschungen zeigen, dass phenolische Verbindungen – wichtig für antioxidative Eigenschaften und Geschmack – bei längerer Lagerung und Transport abnehmen können.
Natürlich hängen diese Unterschiede auch von Sorte, Reifezeitpunkt, Bodenverhältnissen und Lagerung ab. Insgesamt gilt jedoch: Kürzere Wege und schnellere Lieferung mindern den Nährstoffverlust und verbessern den Geschmack.
Natur und Pflege: beides zählt
Einige Regionen – insbesondere tropische Zonen – bieten ideale natürliche Bedingungen für den Avocadoanbau: stabile Niederschläge, fruchtbare Böden und minimalen Bewässerungsbedarf. Andere Standorte benötigen gezielte Bewirtschaftung, um passende Bedingungen zu schaffen. Entscheidend für die Auswirkungen des Anbaus ist nicht nur das natürliche Umfeld, sondern die Kombination aus Klima, Anbaumethode und Regulierungen.
Auch die Arbeitsbedingungen unterscheiden sich stark – sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU. Was hier den Unterschied macht, sind Transparenz, Rückverfolgbarkeit und verbindliche Standards – nicht allein der geografische Standort. Europäische Erzeuger unterliegen klaren gesetzlichen Vorgaben zu Pflanzenschutzmitteln, Arbeitsrechten und Wassermanagement – oft strenger als in anderen Regionen. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Praktiken innerhalb der EU vorbildlich sind oder alle außerhalb problematisch.
Einige Lieferketten werfen allerdings berechtigte Fragen auf. In Marokkos Souss-Tal wurden große Avocado-Plantagen mit Arbeitsrechtsverletzungen in Verbindung gebracht, darunter Löhne von nur 203 USD pro Monat, fehlende Schutzausrüstung bei Pestizideinsatz und Unterdrückung von Gewerkschaften.

Wasser und Klima: nicht alle Avocados sind gleich durstig
Avocados werden oft wegen ihres Wasserverbrauchs kritisiert. Doch dieser hängt stark vom lokalen Klima und den Bewässerungssystemen ab. In vielen tropischen Ländern wachsen die Bäume mit wenig oder ganz ohne künstliche Bewässerung. In trockeneren Regionen wie Südspanien oder Marokko ist ein sorgfältiges Wassermanagement unerlässlich.
Bei CrowdFarming setzen alle Produzenten tropischer Früchte auf Tröpfchenbewässerung, um Wasserverluste zu minimieren. Viele gehen noch weiter, nutzen aufbereitetes Abwasser (regeneriertes Wasser) und setzen regenerative Praktiken ein, um die Bodenstruktur zu verbessern und die Wasseraufnahmefähigkeit zu erhöhen.
Beispiele hierfür sind Betriebe wie Laderas de Granada und Loma del Gato, die ihren Wasserindikator – gemessen im Rahmen des Regenerationsindexes, der Aspekte wie Qualität des Bewässerungswassers, Wassermanagement und Regenwasserspeicherung im Boden umfasst – um bis zu 30 % verbessert haben.
Und sie sind nicht allein: Ein wachsender Anteil unserer Bio-Avocado-Produzenten stellt auf regenerative Landwirtschaft um – mit dem Ziel, die Wasserspeicherfähigkeit der Böden zu verbessern und Verdunstung zu reduzieren.
Es ist nicht so einfach: ein abschließender Gedanke
In Supermärkten ist es schwer nachzuvollziehen, wo und wie eine Avocado angebaut wurde. Im Regal sehen alle gleich aus. Doch ihre Hintergründe unterscheiden sich: Manche werden früh geerntet, um lange Transporte zu überstehen; andere zum optimalen Zeitpunkt gepflückt und innerhalb weniger Tage geliefert. Einige werden mit Süßwasser in dürregefährdeten Regionen bewässert. Andere nutzen Regenwasser oder wiederaufbereitetes Wasser.
Manche stammen aus Systemen mit dokumentierten Löhnen und geprüften Arbeitsbedingungen. Andere nicht.
All das ist auf den ersten Blick nicht sichtbar. Aber es wird sichtbar durch Transparenz, Rückverfolgbarkeit und eine direkte Verbindung zu den Menschen, die unsere Lebensmittel anbauen.
Avocados können an vielen Orten verantwortungsvoll angebaut werden. Entscheidend ist nicht nur die Entfernung – sondern alles, was damit einhergeht.

Quellen & weiterführende Literatur
- Comparative Analysis of Avocado Oils (PMC, 2022)
Peer-Review-Studie zum Vergleich der Fettsäureprofile von Avocados unterschiedlicher Herkunft, u. a. Spanien und Chile. Grundlage für Aussagen zur Nährstoffzusammensetzung (z. B. Ölsäuregehalt). - Moroccan Workers Organising Against Exploitation (War on Want, 2023)
Feldbericht über Arbeitsrechtsverletzungen auf großflächigen Avocadofarmen in Marokkos Souss-Region. - Water Concerns in Morocco’s Avocado Boom (Wala Press, 2024)
Investigativer Artikel über die Umweltauswirkungen des Avocado-Booms in Marokko mit Schwerpunkt auf Wasserverbrauch und Dürreproblematik. - Avocados and Human Rights Risk (Maplecroft, 2023)
Analysebericht zu Risiken in Bezug auf Konflikte, Entwaldung und Arbeitsrechte in Avocado-Anbaugebieten weltweit – mit Einblicken in globale Beschaffungsrisiken.
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