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Warum es entscheidend ist, Landwirte sichtbar zu machen, um regenerativ-biologische Landwirtschaft zu skalieren

Was wäre, wenn jeder seinen Lieblingslandwirt benennen könnte? Wir kennen unsere Lieblingsköche und träumen davon, ihre Restaurants zu besuchen oder ihre Kochbücher zu kaufen. Aber wenn man uns bittet, einen Landwirt zu nennen, bleiben viele stumm. Diese Anonymität ist nicht nur ein Symptom eines kaputten Lebensmittelsystems – sie ist eine seiner Hauptursachen.

Um regenerativ-biologische Landwirtschaft zum neuen Standard zu machen, braucht es mehr als neue Praktiken: es braucht neue Vorbilder. Das war zentrales Gesprächsthema in unserer Podcast-Episode mit Analisa Winther, Mitbegründerin von Top 50 Farmers.

Die Dringlichkeit, regenerative Landwirtschaft zu skalieren

Regenerative-biologische Landwirtschaft umfasst Prinzipien und Praktiken, die darauf abzielen, das gesamte Ökosystem des Betriebs zu regenerieren und zu stärken. Im Zentrum stehen dabei gesunde Böden, funktionierende Wasserkreisläufe, mehr Biodiversität und Kohlenstoffbindung – mit dem Ziel, nährstoffreiche Lebensmittel im Einklang mit der Natur zu produzieren.

Derzeit werden solche Praktiken auf etwa 15 % der weltweiten Ackerfläche angewendet. Laut dem Weltwirtschaftsforum müsste dieser Anteil bis 2030 auf etwa 40 % steigen, um Klima- und Ernährungssicherheitsziele zu erreichen. Für Winther besteht ein Weg darin, die besten Landwirt sichtbar zu machen.

Top 50 Farmers, 2025 gegründet, ließ sich von der Gastronomiewelt inspirieren, in der Köche zu Berühmtheiten wurden. Jetzt verschiebt sich der Fokus: Weg vom zubereiteten Gericht, hin zu dem, was das Gericht „isst“ – den Nährstoffen im Boden und den Praktiken, die sie erzeugen. Die Landwirte sind zwischen 26 und 70 Jahre alt, mit Betrieben von 0,5 bis 4.000 Hektar Fläche.

Allzu oft wird regenerative Landwirtschaft als jung, modern und kleinräumig wahrgenommen – als Nische. Damit schließen wir jedoch genau die Menschen aus, die wir für den Wandel brauchen: diejenigen, die seit Jahrzehnten konventionell wirtschaften, offen für Veränderung sind, aber nicht wissen, wie sie beginnen sollen. Indem Top 50 Farmers Geschichten über Generationen, Betriebsgrößen und Methoden erzählt, entsteht ein Bild der regenerativen Bewegung, das inklusiv, bodenständig und greifbar ist.

Warum Sichtbarkeit zählt

Sichtbarkeit hat konkrete wirtschaftliche Folgen. Wenn Landwirte zu bekannten Namen werden, steigt der Wert ihrer Produkte – ebenso wie die Standards, die dahinterstehen.
Sichtbarkeit kann Einfluss auf Politik haben, neue Märkte eröffnen und die Bindung zur Gemeinschaft stärken.

Sie durchbricht auch den Kreislauf, der Anonymität, Entfremdung und Entwertung in unserem Lebensmittelsystem fördert. Cristina, unsere Leiterin für Wirkung und Nachhaltigkeit und Podcast-Co-Moderatorin, drückte es so aus: „Wenn du als Landwirt für anonyme Konsumenten über große Vertriebsketten wie Supermärkte produzierst, bist du selten zur Rechenschaft verpflichtet. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand dein Produkt zu dir zurückverfolgt, ist minimal.“

Aber mit einem Namen, einem Gesicht und einer Geschichte verändert sich die Beziehung: Es entsteht Verbindlichkeit – von beiden Seiten. Kunden müssen keine fairen Preise zahlen und unperfekte Produkte akzeptieren. Landwirte verpflichten sich im Gegenzug zu Qualität und Transparenz – sie sind sichtbar und greifbar. Das Ergebnis: mehr Vertrauen, tiefere Beziehungen (z. B. über Adoptionsmodelle) und letztlich bessere Lebensmittel und nachhaltigere Landwirtschaft.

„Genau deshalb sind Modelle wie Direktvermarktung, Adoptionsprogramme oder Agrotourismus so wichtig. Sie sind nicht nur Marketinginstrumente. Sie schaffen langfristige, gegenseitige Bindung.“ – Analisa Winther

Regeneration ist ein Weg, kein Ziel

Auch wenn wir bei CrowdFarming eine klare Vorstellung davon haben, was regenerativ-biologische Landwirtschaft bedeutet und wie sie mit Bio-Zertifizierung zusammenspielt – es gibt keinen branchenweiten Konsens darüber, was einen „regenerativen“ Betrieb ausmacht. Es gibt keine festen Linien – und genau das ist sowohl die Herausforderung als auch die Stärke der Bewegung.

Wie Analisa sagte: „Regenerativ ist kein Ziel, sondern eine Denkweise, eine Philosophie und ein Ansatz.“ Die Landwirte der Top 50 befinden sich an unterschiedlichen Punkten ihres Weges – einige stehen ganz am Anfang, andere führen generationsübergreifende Praktiken fort. Was sie eint, ist der Wille zu lernen, sich anzupassen und mit der Natur zu arbeiten.

Nicht Perfektion steht im Mittelpunkt, sondern die Richtung. Die Gemeinschaft, die entsteht, bietet Raum zum Austausch und gegenseitiges Lernen. Und wie wir alle wissen: Es gibt keinen besseren Weg, etwas zu lernen, als mit jemandem zu sprechen, der es schon ausprobiert hat.

Der Weg nach vorn: Inspiration und Infrastruktur

Unsere gemeinsame langfristige Vision ist ambitioniert, aber notwendig: „Regenerativ-biologische Landwirtschaft wird wieder zum Standard in der Branche.“

Dafür braucht es nicht nur kulturellen Wandel, sondern auch systemische Unterstützung:
Mehr politiknahe Instrumente, besseren Zugang zu Wissen, Finanzierungsmodelle, echte Kooperation – und Sichtbarkeit. Denn je öfter wir die Menschen sehen, die unsere Lebensmittel anbauen – nicht als gesichtslose Lieferanten, sondern als Innovator, Unternehmer und Vorbilder –, desto mehr verstehen wir, worum es geht.

Wenn Landwirte aus allen Regionen und Kontexten den Mut fassen, ihre Geschichten in ihre Gemeinschaften zurückzutragen, dann kann das der Anfang eines Mindset-Wandels sein.

„Wir wollen nicht den ‚besten‘ Landwirt küren. Es gibt kein ‚bestes‘. Was zählt, ist zu zeigen, wie vielfältig regeneratives Handeln bereits heute aussieht – sei es auf einem halben Hektar in Litauen oder auf 4.000 Hektar in Frankreich. Was zählt, ist das Spotlight, damit andere sich selbst in der Geschichte wiederfinden können.“ – Analisa Winther

Emilia Aguirre

Emilia is a logistics and sustainability fan. She is always aspiring to find innovative and sustainable solutions to create a fairer agri-food industry. She is also an adventure lover and enjoys travelling (mainly to try new food!).

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