Wenn wir einkaufen, denken wir oft in Schnäppchen. Niedrige Preise scheinen ein Gewinn zu sein – zumindest für unseren Geldbeutel. Doch die Illusion von „billigen“ Lebensmitteln hat einen hohen Preis.
In einer Podcast-Folge mit Pietro Galliani vom Impact Institute und von True Price haben wir darüber gesprochen: Unser Lebensmittelsystem ist voller versteckter Kosten, die den meisten Verbraucher*innen verborgen bleiben – die wir aber letztlich alle bezahlen.
Willkommen in der Welt der True Cost Accounting, in der Zahlen eine tiefere – und manchmal unbequeme – Geschichte erzählen.
Was sind die versteckten Kosten von Lebensmitteln?
Der Preis im Supermarkt spiegelt nicht die gesamte Reise unserer Lebensmittel wider – noch deren Auswirkungen auf Umwelt, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit.
Diese sogenannten Externalitäten sind reale Kosten, die aber nicht im Marktpreis enthalten sind.
Wie Pietro sagt: „All diese Aspekte sind versteckte Kosten, die jemand anderes trägt. Manche zahlen wir schon heute – wie die Reinigung von Wasser, das mit Düngemitteln belastet ist. Andere werden unsere Kinder zahlen – wie den Klimawandel. Und wieder andere zahlen Menschen entlang der Lieferkette, die unter menschenunwürdigen Bedingungen leben.“
Laut den Vereinten Nationen verursacht das globale Lebensmittelsystem jährlich versteckte Kosten in Höhe von 19,8 Billionen US-Dollar – also mehr als doppelt so viel wie die tatsächlichen weltweiten Lebensmittel-Ausgaben (ca. 9 Billionen US-Dollar). Dazu gehören:
- 7 Billionen an Umweltschäden
- 11 Billionen an Gesundheitskosten
- 1 Billion durch Produktivitätsverluste und soziale Ungleichheit
Das Unsichtbare sichtbar machen: Die Rolle von True Pricing
True Cost Accounting (TCA) ist ein Instrument, das entwickelt wurde, um diese versteckten Kosten offenzulegen – und langfristig zu senken.
Pietro erklärt: „Der wahre Preis ist die Summe aus dem regulären Marktpreis plus den versteckten Umwelt- und Sozialkosten. Unser Ziel ist es aber nicht, dass die Menschen mehr zahlen – sondern dass sie verstehen, welche Kosten entstehen, damit wir sie gemeinsam verringern können.“
Beispiel: Ein Kilo Bananen kostet vielleicht 1,50 € im Laden, doch der „wahre Preis“ liegt möglicherweise bei 2,00 € oder mehr, wenn man Wasserverbrauch, Bodendegradierung oder unfaire Arbeitsbedingungen mit einrechnet.
Ein Pilotprojekt der Supermarktkette PENNY in Deutschland (2023) zeigte diese „wahren Preise“ offen an:
- Ein Käse, der 2,49 € kostete, hatte wahre Kosten von 4,84 €
- Äpfel zu 1,99 € lagen im echten Preis bei 3,69 €

Wer zahlt die Differenz – und wer sollte es?
Die Methodik von True Price will nicht Schuldgefühle erzeugen, sondern Bewusstsein und Wandel. Das Modell basiert auf drei Schritten:
- Versteckte Kosten sichtbar machen – damit sich Konsumenten und Unternehmen informieren können
- Freiwilliges Handeln fördern – wie z. B. die bewusste Entscheidung, den wahren Preis zu zahlen, oder Investitionen in Maßnahmen zur Reduktion dieser Kosten
- Systemischen Wandel ermöglichen – sodass gute Praktiken zur Norm werden und der Markt diese belohnt statt bestraft, indem Produkte mit positiver Wirkung zugänglicher werden
Im Gespräch mit Pietro stellten wir aber die wichtige Frage: „Wie stellen wir sicher, dass dieses zusätzliche Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird – und nicht nur eine weitere Marketingkampagne finanziert?“
Die Antwort liegt in Verpflichtung und Transparenz:
Die erfolgreichsten Projekte beruhen auf mehrjährigen Programmen, nachvollziehbarer Mittelverwendung und direkter Zusammenarbeit entlang der gesamten Lieferkette – vom Supermarkt bis hin zu Bananen-Kooperativen in der Dominikanischen Republik oder Peru.
Für ein faires Lebensmittelsystem: Die Verteilung neu denken
True Pricing fordert uns auf, die Verteilung von Wert im Lebensmittelsystem neu zu betrachten.
Oft erhalten Landwirte den kleinsten Anteil am Endpreis, obwohl sie die größten Risiken tragen und die Grundlage für unsere Ernährung schaffen.
Initiativen wie „C’est qui le Patron ?!“ ermöglichen Konsumenten volle Transparenz: Wie viel verdient der Landwirt? Wie wurde produziert? Beim Einkauf wird genau angegeben, welcher Anteil des Preises an den Erzeuger geht.
Auch bei CrowdFarming glauben wir an diesen Grundsatz:
Direktverkäufe sorgen nicht nur für gerechtere Entlohnung, sondern schaffen auch Verbindung zwischen Konsumenten und den Ursprüngen ihrer Lebensmittel, zur Realität der Landwirtschaft und zu den wahren Kosten, ein Produkt vom Feld auf den Tisch zu bringen.
Die Grenzen von True Pricing: Müssen wir einfach nur Kosten draufschlagen?
So wertvoll True Price für die Aufklärung ist, bleibt eine grundlegende Frage:
Sollten wir die versteckten Kosten einfach auf einen ohnehin intransparenten Preis obendrauf rechnen?
Wie im Podcast besprochen: „Wir nehmen den Marktpreis als gegeben – und schauen dann, was alles schiefläuft. Aber wir schauen nicht, wer profitiert, und wie der Wert verteilt ist.“
In einer idealen Welt würden wir nicht nur zusätzliche Kosten einpreisen, sondern das gesamte Preissystem hinterfragen.
Warum sollten Konsumenten die Last tragen, während mächtige Akteure im Lebensmittelsystem weiterhin hohe Margen einfahren? Transparenz muss auch die Verteilung von Wert umfassen – nicht nur das Abrechnen von Umweltschäden.
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