Nach unserem jüngsten Beitrag zu den Bauernprotesten in Deutschland ist eine Welle von Demonstrationen über Europa hinweggefegt, wobei vor allem Frankreich nun im Mittelpunkt der Medienaufmerksamkeit steht. Diese Ausweitung der Proteste unterstreicht das Ausmaß der Frustration in der Landwirtschaft und den immer dringender werdenden Handlungsbedarf in Bezug auf den neuen Subventions- Vorschlag der Regierung.
Die französische Regierung hat Schwierigkeiten, das Ausmaß und die Intensität der Bauernproteste zu kontrollieren. Diese wurden durch Blockaden mit Heuballen und Traktoren, das Versprühen von Gülle auf öffentliche Gebäude und Supermärkte, das Verhindern der Einreise von Lastwagen über internationale Autobahnen sowie weitere, zum Teil gewaltsame, Zwischenfälle begleitet. Die Unzufriedenheit der Bauern geht jedoch über die nationalen Grenzen hinaus und in ganz Europa setzen Landwirte deutliche Zeichen.
Wir wissen, dass die Bauern schon eine Weile unzufrieden sind, aber warum gehen sie gerade jetzt auf die Straße?
Die Umsetzung der Strategie hin zu einer nachhaltigeren europäischen Landwirtschaft lediglich durch die Abschaffung von Subventionen und Steuererleichterungen wird stark kritisiert. Frankreich – als größter Agrarproduzent der EU – ist zudem der größte Begünstigte der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und erhält jährlich neun Milliarden Euro an Beihilfen. Das derzeitige Subventionssystem schafft eine langfristige Abhängigkeit von Finanzhilfen und macht es den Bauern im Wesentlichen unmöglich, ohne sie zu arbeiten.
Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums, 21 % der Treibhausgase aus dem Agrarsektor in Frankreich stammen. Konventionelle Anbaumethoden sind zweifellos umweltschädlich und es ist wichtig, auf diese zu verzichten. Wir können jedoch nicht erwarten, dass die Bauern zu einem günstigeren Preis mehr produzieren und weniger Chemikalien verwenden, während sie gleichzeitig auf Land verzichten, um die Biodiversität zu fördern. Wir können nicht von ihnen verlangen, die Emissionen zu reduzieren und die langfristige Widerstandsfähigkeit ihrer Pflanzen zu verbessern, während sie die Folgen extremer Klimaereignisse auffangen sollen, ohne dass ihnen irgendwelche Mittel oder Hilfen für diese Transformation zur Verfügung gestellt werden. Die Inkohärenz der an die Branche gerichteten Forderungen wird zu Recht kritisiert.
Im Mittelpunkt dieser Proteste steht die Notwendigkeit, die Subventionssysteme für die Landwirtschaft, vor dem Hintergrund der Forderung nach einer umweltfreundlicheren Landwirtschaft, neu zu bewerten. Da die Ernten aufgrund von Faktoren wie sich verschlechterndem Boden, Wasserknappheit und immer schwierigeren Wetterbedingungen sinken und immer weniger kalkulierbar werden, ist es außerdem wichtig, einen Übergang zu regenerativen und daher widerstandsfähigeren Anbaumethoden zu fördern. Dazu ist ein kontextabhängiger und lokaler Ansatz notwendig. Subventionen können nicht mehr endlos und ohne Ziel als reguläre Unterstützung für Bauern verwendet werden, sondern müssen auf ein Ziel ausgerichtet sein, das sie nach dem Erreichen überflüssig macht: Es muss gewährleistet werden, dass die Betriebe widerstandsfähig genug sind, um dem Klimawandel zu begegnen und eine aktive Rolle bei der Bekämpfung seiner Auswirkungen spielen können, ohne sie dabei finanziell aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die Produzenten in der Landwirtschaft sind die Ersten, die mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert werden und zurechtkommen müssen, da sie sich direkt auf ihre Arbeit und ihre Gesundheit auswirken. Daher dienen sie als Vorboten und warnen bereits frühzeitig vor dem, was uns letztendlich alle erwarten wird.

Die Dynamik der Marktmacht
Ein weiteres kritisches Thema, das im Zuge dieser Proteste im Mittelpunkt steht, ist die Forderung nach Gerechtigkeit gegenüber großen Supermarktketten, die unlauteren Praktiken und Preisverhandlungen beschuldigt werden. Im Zuge dieser Ereignisse wird immer deutlicher, dass eine grundlegende Veränderung der Vertriebslandschaft dringend erforderlich ist. Es gibt bereits eingie Gesetzte, wie das „Loi Egalim“ in Frankreich, die darauf abzielen, das Gleichgewicht der Handelsbeziehungen im Agrar- und Lebensmittelsektor zu verbessern und faire Preise für die Bauern zu gewährleisten. Aber das reicht nicht aus. Es müssen neue Maßnahmen festgelegt und bestehende besser angewendet werden, um eine unausgewogene Machtdynamik zwischen Bauern, Händlern und Einzelhändlern zu vermeiden, insbesondere wenn man bedenkt, dass lediglich zehn Supermarktkonzerne mehr als die Hälfte aller Verkäufe im Lebensmitteleinzelhandel in der Europäischen Union tätigen. Hier sind auch die Verbraucher in der Pflicht, die die wahren Kosten von Lebensmitteln verstehen und Druck von ihrer Seite ausüben müssen, um eine Nachfrage nach nachhaltigeren Lösungen zu schaffen. Nur so können die negativen Auswirkungen unserer Lebensmittelversorgung verringert und möglicherweise vor allem eine faire Preisgestaltung für die Bauern ermöglicht werden.

Ein längst überfälliger Weckruf
Durch diese Proteste wird deutlich, dass die Bauern das Gefühl haben, dass das derzeitige System für sie nicht mehr tragbar ist. Wenn man bedenkt, dass von den 9,1 Millionen Betrieben in der EU im Jahr 2020 schätzungsweise 93 % als Familienbetriebe eingestuft werden können, könnten die Folgen der neuen Rechtsvorschriften verheerend sein. Viele Kleinproduzenten würden dazu gezwungen sein, ihre Höfe zu verkaufen, was wiederum den finanziellen Druck auf die anderen erhöhen würde.
Die Ereignisse der letzten Wochen sollten uns allen als kollektiver „Weckruf“ dienen, um uns daran zu erinnern, dass wir als Gesellschaft die Menschen unterstützen müssen, die uns ernähren. Die von der Landwirtschaft angesprochenen Probleme müssen ernst genommen und so schnell wie möglich angegangen werden. Lasst uns die neuen GAP-Diskussionen in diesem Jahr nutzen, um die Entscheidungsträger zu kontaktieren und Druck auf sie auszuüben, die Rolle der Subventionen in dieser Branche völlig neu zu definieren, um eine finanziell stabile, faire und nachhaltige Lebensmittelindustrie zu schaffen. Wenn wir uns eine grünere Zukunft oder überhaupt eine Zukunft vorstellen wollen, muss die Landwirtschaft ein zentraler Bestandteil davon sein, und die Bauern müssen bei ihrem Übergang zu nachhaltigeren Praktiken unterstützt werden – anstatt beschuldigt oder unter Druck gesetzt zu werden. Die Bauern in der ganzen EU erheben ihre Stimme, und wir müssen sicherstellen, dass sie gehört werden.
Was sagen unsere Bauern dazu?
Hier ist ein Brief, den unser Bauer Adrien Mazet vom Bauernhof Altermonts mit uns geteilt hat. Wir hielten es für wichtig, dass wir auch die Worte unserer Bauern teilen, um Informationen direkt von der Quelle bereitzustellen.
„Liebe CrowdFarmer,
Momentan verspürt die Landwirtschaft als Folge der Blockaden in Frankreich und Europa ein unergründliches Unbehagen. Auch wenn wir uns noch nie persönlich kennengelernt haben, unterstützt ihr uns, indem ihr unsere Käsesorten auf Crowdfarming kauft, und mit dieser Nachricht möchte ich euch meine Sicht oder besser gesagt die Sicht von uns AlterMonts-Bauern zu dieser Agrarkrise mitteilen.
Das Unbehagen in unserem Beruf ist real und wir teilen es manchmal, insbesondere wenn es um die Verkaufspreise unserer Produkte als Teil einer langen Lieferkette geht, in der die Produktionskosten nicht gedeckt werden. Dies ist allerdings nur das Ergebnis einer ultraliberalen Politik, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verfolgt wird und darauf abzielt, kostengünstige Lebensmittelprodukte anzubieten und gleichzeitig die Händler an der Börse zu bereichern!
Wir möchten zudem die Tatsache mit euch teilen, dass die Anzahl der Stunden, die wir auf unseren Bauernhöfen für unseren Beruf, den wir leidenschaftlich ausüben, verbringen, manchmal zu hoch ist. Aber wir könnten dem mit Arbeitsplätzen entgegensteuern, die wir schaffen könnten, wenn unsere Produkte fair bezahlt würden!
Ein weiteres unserer Hauptanliegen, das in den Medien wenig Beachtung gefunden hat, ist die Erneuerung der Belegschaft der Bauern, die das erste Glied in der Vitalität unserer ländlichen Gebiete sind! 1980 gab es in Frankreich 1 Million von uns, 40 Jahre später sind es nur noch 380.000, und die Alterspyramide hat zur Folge, dass jeder zweite Bauer in den nächsten 10 Jahren in Rente gehen wird … was für ein Sozialplan!
Dennoch teilen wir nicht alle Forderungen der aktuellen Bewegung, insbesondere der FNSEA, deren Präsident, ein Agrarunternehmer, uns überhaupt nicht als Vertreter der Landwirtschaft erscheint! Es gibt den Punkt der administrativen Bürokratie, aber als Bauern sind wir alle Unternehmer, und der Umfang der administrativen Aufgaben, die wir zu erledigen haben, hängt wahrscheinlich mit dieser Tatsache zusammen. Wir werden in der Tat von den Institutionen kontrolliert, einschließlich der europäischen, aber jedes Jahr erhält die Landwirtschaft mehrere Milliarden Euro, um zu versuchen, dass sie überlebt, was zu enormen Ungleichheiten zwischen den Erzeugern führt … auch wenn dieses System verabscheuungswürdig ist, denken wir, dass es normal ist, dass Kontrollen angesichts der Höhe der involvierten Summen durchgeführt werden!
Zu guter Letzt teilen wir nicht die Überzeugung, dass die Lösung der aktuellen Krise in der Senkung der Umweltstandards liegt! Während wir die Ersten sind, die unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden, haben Wissenschaftler in der Tat seit etwa 10 Jahren vor dessen Konsequenzen gewarnt, und im Gegensatz zu dem, was unser Präsident der Republik behauptet, waren die klimatischen Ereignisse, die wir erlebt haben und erleben werden, vorhersehbar und sogar vorhergesagt! Wer kann in einer Zeit, in der die Zahl der Krebserkrankungen weltweit explodiert, wirklich glauben, dass der als Lösung für die Krise angekündigte Verzicht auf das ECOPHYTO-Projekt (ein Projekt zur Regulierung und Begrenzung des Einsatzes von Pestiziden) eine gute Nachricht sein kann?
Wir engagieren uns für die biologische und kleinbäuerliche Landwirtschaft und glauben, dass wir durch die Stärkung der Spezifikationen dem Beruf einen angemessenen Lebensunterhalt ermöglichen werden! Damit dies kohärent ist, müssen wir natürlich von der ultraliberalen Vision von Lebensmittel- und Freihandelsabkommen wegkommen und sicherstellen, dass die in Frankreich und Europa verkauften Produkte alle den gleichen Standards entsprechen und nicht der billigste Anbieter den Zuschlag bekommt. Zudem müssen unsere Produktionskosten in den Verkaufspreis einbezogen werden.
Zum Abschluss dieser Nachricht möchten wir uns bei allen bedanken, die sich entschieden haben, uns durch den Kauf unserer Produkte zu unterstützen! Bei AlterMonts haben wir uns entschieden, die Kontrolle über die gesamte Kette zu übernehmen, indem wir unsere Produkte verarbeiten und verkaufen, und dank euch können wir zeigen, dass eine biologische, kleinbäuerliche Landwirtschaft möglich ist. Gemeinsam beweisen wir, dass die Bürger durch ihre Kaufentscheidungen die Agrarpolitik beeinflussen und die Bauern in die Lage versetzen können, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern, die nicht mehr die des 20. sind!
Wir behaupten nicht, dass unser Modell morgen allen aufgezwungen werden sollte, aber wir glauben, dass es Teil der Lösung ist!“
Bauer Adrien Mazet, Bauernhof AlterMonts

Kommentare
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Comentarios
Und wo ist eure Stellungnahme zur Unterwanderung der Proteste von rechts? Das Bild von Traktoren, die Politiker am Galgen zeigen? Es ist eine Schande, dass so ein Unternehmen das Thema nicht komplett greifen kann. Cherry Picking vom Feinsten. Ich bestelle nicht mehr.
CrowdFarming ist der Versuch, die Ursache dieser Proteste, unfaire Bedingungen in der Landwirtschaft, an der Wurzel zu bekämpfen, diesbezüglich haben wir uns auch positioniert und dies möchten wir hervorheben: Die Situation vieler Landwirte ist prekär, und eine Änderung dringend nötig. Es ist erschütternd zu sehen, dass eine legitime Protestbewegung durch Trittbrettfahrer von rechts unterwandert wird, dieses Phänomen ist aber bedauerlicherweise keine Seltenheit. Es ist schade, dass dies dazu führt, dass du eine aktive Alternative zum aktuellen Modell der Lebensmittelversorgung nicht mehr unterstützen möchtest.
Sehr gut und sehr richtig. Allerdings sehr abstrakt für den Laien. Es fehlt an guten anschaulichen Schilderungen in den Medien. Kaum ein Konsument begreift, worum es wirklich geht. Aber viele fühlen es wohl, da die Zustimmung zu den Bauernprotesten in Deutschland laut Umfrage sehr groß war/ist. – Typisch für einen Teil der Öffentlichkeit ist leider, dass unablässig vor der Gefahr einer „Unterwanderung von rechts“ gewarnt wird. Es wäre besser, auf die Sache selbst einzugehen, und zu versuchen, sie zu verstehen, bzw. Verständnis zu wecken. Eine seit vielen Jahren ignorante Politik führt natürlich dazu, dass sich dann rechtsextreme Kräfte das zunutze machen. Das gilt für alle Politikbereiche – in Deutschland wie in Frankreich.
Hallo Manfred, danke für deinen Beitrag. Wir sind deiner Meinung und fokussieren uns auf das, was wir seit Jahren versuchen -die Autonomie des Landwirts zu stärken, um ein faire und nachhaltige Zukunft für die Lebensmittelsicherheit zu gestalten. 🌞 Wir freuen uns, dass du ebenfalls dabei bist!