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Das Leben eines Landwirts während eines unvorhersehbaren Sommers


In den letzten Wochen haben uns unsere Agraringenieure viele Nachrichten über die Situation auf den Feldern Deutschlands und Italiens und die Lage der dortigen Landwirte geschickt. Sie arbeiten direkt mit unseren Landwirten vor Ort und sind unsere Augen und Ohren im Stall und auf dem Acker. Sie fungieren sozusagen als Sprachrohr für die Landwirte. Unsere Agraringenieure stehen unseren Landwirten stets zur Seite: Jeden Sieg bejubeln wir zusammen und bei jeder Niederlage trauern wir mit. Zusammen durch Höhen und Tiefen.

Wir sind überzeugt, dass unser direkter Kontakt zu den Landwirten was ganz Besonderes ist, und daran wollen wir auch unsere CrowdFarmern teilhaben lassen. Sie sind Zeugen der aktuellen Herausforderungen, vor denen unsere zukünftige Nahrungsmittelversorgung steht. Es folgt eine kleine Momentaufnahme, was in den letzten Wochen in Europa los war:

Hitze und Hagel in ganz Italien

Sizilien (Italien) erlebte zuletzt eine lang anhaltende Hitzewelle . Seit ein paar Wochen erreichen die Temperaturen 40°C und sogar bis zu 48°C  . Einer der höchsten Werte, die vom meteorologischen Informationsdienst Siziliens (SIAS) in diesen Tagen gemessen wurden, gehört zur Messstation Monasteri in Syrakus, mit einer Temperatur von 47,8 °C. Hier befindet sich auch der Betrieb Bio Agrumi Monasteri, unseres Zitrusbauern Angelo. Angelos Zitronen wurden, während sie noch am Baum hingen, buchstäblich “gekocht”. Die Temperaturen gingen schließlich zurück,  leider zu spät für die Zitronen. Die gesamte Ernte der Sommerzitronen ist hinüber. Das tut weh, aber Angelo hält sich gefasst: „Wir haben keine Zeit, um zurückzuschauen; jetzt müssen wir uns auf die nächste Zitronensaison im Winter konzentrieren und hoffen, dass die Hitzewellen aufhören und unsere Bäume sich erholen können“.



Im Norden Italiens sieht es ganz anders aus.  Die Felder unserer Landwirte waren hier von starkem Niederschlag betroffen, mit Hagelkörnern, die zum Teil so groß waren wie Mangos.

Starke Regenfälle in Deutschland

Im nördlichen Teil Deutschlands hat es in den letzten drei Wochen seit Verfassung dieses Artikels fast ununterbrochen geregnet – und es waren noch zehn weitere Tage Regen zu erwarten. Nach einem sehr trockenen Mai und Juni war der Regen an sich zwar herbeigesehnt und sehr willkommen. Aber der Dauerregen macht wiederum die Gras- und Getreideernte fast unmöglich!

Das Korn zu feucht, um zu dreschen, das Gras zu nass und die schweren Maschinen versinken teilweise auf den Feldern, wenn es dann doch mal eine Regenpause gibt und jemand versucht, zu dreschen. Einige Getreidefelder keimen schon wieder neu aus, während andere Felder vom Dauerregen platt daliegen und wohl nicht mehr oder nur schwer geerntet werden können. Ein verregneter Sommer mag zwar dem „normalen“ deutschen Sommer näher kommen als die Trockenheit und Dürre der letzten Jahre, aber dieses Jahr sehen wir, dass auch Wasser im Überfluss Probleme gibt.


Diejenigen, die es am letzten Wochenende gewagt haben, zu dreschen – wie die Familie unserer Agraringenieurin Antonia, die  selbst auch Landwirte sind, brachten zumindest das Korn noch trocken unter Dach und Fach, während das Stroh nun im Regen liegt und durchweicht. „Hoffentlich können wir es in 10 Tagen pressen, wenn der Regen aufhören soll“, sagt Antonia.

Gleichzeitig sind die Bedingungen ideal für ein rasantes Graswachstum – 20 °C und reichlich Regen – gute Nachrichten für alle Rinder- und Schaf- und Ziegenhalter. Es wäre Zeit für den sogenannten “dritten Schnitt” (es gibt mehrere Zeitpunkte im Jahr, an denen Gras gemäht und für den Winter eingelagert wird), aber es gibt kaum trockene Zeitfenster für die Ernte. Dieser  unvorhersehbare und unerwartete Sommer beeinflusst somit fast alle  Landwirte in Deutschland. Bei einigen ist eine Lösung einfacher als bei anderen. 

Unser Heidelbeerbauer Uwe, vom Biohof Wencker, , berichtet, dass ihm ein großer Trockenlüfter etwas Abhilfe verschafft. Damit werden nämlich die Früchte vor dem Versand an unsere CrowdFarmer, getrocknet, um zu vermeiden, dass die nassen Beeren beim Versand verderben. Allerdings steht Uwe in den letzten Wochen unter Dauerstrom: Jede regenfreie Minute muss genutzt werden, um die Beeren  zu pflücken. Mehr Körbe müssen verwendet werden, um sie weniger voll zu pflücken, sodass sich die Beeren nicht gegenseitig zerdrücken.  


Sylke, vom Bickbeernhof, , die ebenfalls Heidelbeeren anbaut, ist weniger optimistisch – „Wir haben genug vom Regen. Wir müssen die Saison frühzeitig beenden, Ende August statt Anfang September, da wir fürchten, dass die Früchte zu weich werden. Bisher hatten wir aber eine großartige Saison, und die CrowdFarmer sind begeistert vom Geschmack unserer Beeren!“

Auch die Apfelplantagen werden durch die anhaltenden Regenfälle in der Region um Hamburg beeinflusst. Unser Landwirt vor Ort ist aber zuversichtlich, die Ernte, mit nur einigen wenigen Erinnerungen der Wetterbedingungen auf der Schale der Früchte, retten zu können. Cord Lefers vom Bio-Obsthof Lefers erklärt, wie das wechselhafte Wetter in diesem Jahr zu einem starken Wachstum der Obstbäume geführt hat.  Die ständige Abwechslung von Regen und Sonne begünstigt allerdings auch den Apfelschorf-Pilz. Dadurch wird es in diesem Jahr einige schwarze Flecken auf den Äpfeln geben. Die Flecken sind ein rein optischer “Makel”, aber ein erkennbares Zeichen für den feuchten Sommer.  „Zum Glück verstehen unsere CrowdFarmer, dass Obst nicht perfekt ist. Wir werden nicht die ganze Ernte wegschmeißen müssen, nur wegen einiger kleiner äußerer “Makel” auf innerlich perfekten Äpfeln“, sagt Cord.



Genauso wie in Italien finden wir auch in Deutschland gegensätzliche Bedingungen im ganzen Land. Die Bauern der südlichen Hälfte Deutschlands warteten verzweifelt auf Regen, da die meisten Regionen von Anfang Mai bis Mitte Juli keine Niederschläge hatte.  Obwohl der feuchte Frühling zu einem starken Wachstum bei Getreide führte, mangelte es ihnen während der kritischen Entwicklungsphase anderer Kulturen wie Mais an Wasser, was dazu führte, dass sie vor ihrer vollständigen Entwicklung reiften und austrockneten. Dies führte zu sehr geringen Erträgen. Ulrike von ackerfrucht&bodenwerk ist ein Beispiel dafür. Sie musste mit den plötzlichen schweren Regenfällen und sogar Hagelstürmen nach einer langen Dürre umgehen. Einige ihrer erntebereiten Getreidefelder wurden vollkommen zerstört.

Andere Kulturpflanzen wie Weinreben, haben die Trockenheit gut verkraftet, kämpfen jetzt aber mit den anhaltenden Regenfällen. Unsere deutschen Winzer Fabian & Laura vom KORE waren zunächst optimistisch; Weinreben kommen sehr gut mit Hitze und Trockenheit zurecht. Die hohen Temperaturen und der reichliche Regen im Mai und Juni waren ideale Bedingungen für eine gute Ernte und qualitativ hochwertige Trauben. Doch diese trockene Periode endet Mitte Juli schlagartig und seitdem regnet es ununterbrochen. Das feuchte Klima erhöht das Risiko von Pilzkrankheiten, die, vor allem unter Einhaltung von Bio-Normen,  schwer zu bekämpfen sind. Dies trifft insbesondere  Traubensorten mit dünnen Schalen wie Riesling, da sie bei starken Regenfällen und Hagel platzen können.

Betriebe mit Nutztierhaltung  wie der Vulkanhof  sind mehr von der Trockenheit als von der aktuellen Regenzeit betroffen. Der feuchte Frühling führte zu einer überdurchschnittlichen Heuernte, aber da der Regen nach dem Mähen des Grases aufhörte, wuchs es nie wieder nach. In normalen Jahren können Landwirte ihr Gras bis zu drei Mal im Jahr mähen, um die Tiere zu füttern, aber in diesem Jahr fürchtet die Landwirtin von Vulkanhof, Manuela, dass sie nicht genug Heu ernten kann, um ihre Ziegen den ganzen kommenden Winter damit zu füttern.


Es ist die Zeit der Widerstandsfähigkeit

Als Verbraucher haben wir unsere Jahreszeiten vielleicht als selbstverständlich betrachtet – die letzten Sommer brachten entweder zu wenig Regen, zu viel Regen, extrem hohe Temperaturen oder sogar hagelgroße Körner mit sich. Die Landwirte versuchen sich, so gut es geht, an diese wiedrigen Bedingungen anzupassen, schließlich hängt ihr Lebensunterhalt davon ab. Deshalb möchten wir diesen Sommer die Ausdauer unserer Landwirte feiern. Wir möchten die eventuellen Spuren oder Makel, die ihre Ernte tragen, als Erinnerung an die Herausforderungen und ihre Kämpfe betrachten, die sie in diesem Sommer führten,  um ihre einzigartigen Produkte bis vor unsere Haustür zu bringen.

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